Projektbesuch in Haiti: Ein Interview mit Charlotte Nelles

Charlotte Nelles mit zwei Damen vom medizinischen Personal in Haiti
Charlotte Nelles mit zwei Damen vom medizinischen Personal in Haiti
© action medeor

action medeor-Mitarbeiterin Charlotte Nelles betreut das Projekt in Haiti. Neben dem regelmäßigen Kontakt per Skype überzeugt sie sich bei Besuchen vor Ort von der Arbeit des lokalen Partners FEJ. Lesen Sie das Interview für Zentiva über ihre persönlichen und fachlichen Eindrücke:

Wie haben Sie die Menschen erlebt, die zur Gesundheitsstation kommen, um Hilfe zu erhalten?

Die Bewohner von Lamardelle sind sehr dankbar für das Gesundheitsangebot durch das Projekt. Es hat sich herumgesprochen, dass es hier Hilfe für Menschen gibt, die kein oder kaum Einkommen haben. Die Menschen sind fleißig und möchten ihre Familien gut versorgen. Doch die Situation auf dem Land ist eine große Herausforderung: Die Infrastruktur ist schwach, Ausbildungs- und Verdienstmöglichkeiten gibt es kaum. In kleinen Siedlungen, ein paar zusammenstehenden Häusern, la cour (deutsch „der Hof“) genannt, leben die Familien beisammen und versuchen sich mit ihren Gärten und kleinen Viehbeständen selbst zu versorgen. Doch nach dem Hurrikan Matthew 2016 ist auch diese Lebensgrundlage z.T. vollständig zerstört. Die Menschen geben aber nicht auf. Sie informieren sich bei den Projektmitarbeitern, wie man auch mit wenigen Ressourcen die Familie ausgewogen ernähren kann. Ihre Kinder werden durch das Ernährungsprogramm gut versorgt. Auch die Beratungsangebote oder berufsbildende Maßnahmen werden gut angenommen.

Wie beurteilen Sie die Arbeit der lokalen Partnerorganisation von action medeor?

FEJ arbeitet sehr professionell. Die Mitarbeiter beobachten die Entwicklungen in der Region und reagieren auf die Bedürfnisse der Bewohner. So passen wir gemeinsam das Programm immer wieder an und neue Maßnahmen werden integriert. Mich beeindruckt, dass FEJ ganzheitlich denkt und ein umfassendes Konzept der Gesundheitsversorgung entwickelt hat. Hier geht es nicht um kurzfristige Aktionen, sondern um den Aufbau langfristiger Strukturen. Seit einem Jahr laufen schon viele Maßnahmen intensiv und die Menschen erhalten jeden Tag Hilfe.

Wie wirkte sich der Hurrikan auf das Projekt aus?

In diesem Punkt hat FEJ sehr schnelle Hilfe geleistet. Die Station konnte schnell wieder öffnen.  Es gab zügig Pläne zum Wiederaufbau, z.B. der Schutzmauer oder von Gemeinschaftslatrinen. Bei action medeor in Deutschland waren alle froh zu hören, dass die Kinder aus dem Waisenhaus und die Mitarbeiter alle unverletzt waren. Die Räumlichkeiten von FEJ sind, im Gegensatz zu den einfachen Hütten der Bewohner, sehr massiv gebaut und bieten sehr guten Schutz. Bei meinem Besuch war ich aber auch über die Verwüstungen erschrocken: Eine tiefe Schneise zieht sich durch den Ort – obwohl inländisch das Ausmaß längst nicht so dramatisch ist wie in den Küstenregionen. Aber auch in Lamardelle sind leider viele Kinder von den Erlebnissen traumatisiert.  

Es geht also um das „Geben von Chancen“ für die Gemeinde, wie hier durch eine medizinische Grundversorgung. Wie schätzen Sie die Auswirkungen des Projektes für die Entwicklung der Gemeinde ein?

Das Projekt ist langfristig angelegt und soll sich später zu einem Großteil selbst finanzieren. Für die Gemeinde ist das eine beträchtliche Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse. Das Konzept von FEJ ist sehr gut und jeden Tag wird konkrete Hilfe geleistet.
Wir sehen aber gegenwärtig auch bereits die vielen positiven Auswirkungen auf die Gemeinde. Nach dem Hurrikan griffen sofort die vorhandenen Strukturen unserer Partnerorganisation und ein Choleraausbruch konnte verhindert werden.  Langfristige Effekte zeigen sich ebenfalls schon, z.B. in der Versorgung der Schwangeren und Kinder im Kontext von Ernährung und Gesundheit. Wir haben bereits nach kurzer Zeit sehr viel erreicht und wir setzen uns gemeinsam mit FEJ weiterhin für die Menschen ein.

Frau Nelles, ein abschließendes Wort zum Projekt!  

Ich bin mit den Fortschritten sehr zufrieden. Zahlreiche Menschen wurden erfolgreich behandelt und ihre Lebenssituation hat sich dauerhaft gewandelt. Viele Erkrankungen wären ohne die Station schlimm ausgegangen. FEJ zeigt ein sehr großes Herz für die Menschen und sind dicht an der Bevölkerung. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit und sind dankbar für die Unterstützung von Zentiva für den kommenden Weg.

Das Interview wurde im März 2017 von der Abteilung Marketing und Kommunikation von action medeor geführt.